Als ich vor einigen Jahren mein zweites Kind erwartete, stellte ich mir die Frage: Kann/darf ich denn jetzt noch spielen? Was mache ich jetzt mit meinen gerade erst freigelassenen Wünschen und Bedürfnissen? Nur, weil ich schwanger bin, auf all das verzichten, gerade jetzt, wo Sex doch eigentlich noch viel schöner ist? Die Suche nach Informationen im WWW oder bei den Schlagzeilen blieb erfolglos.
Inzwischen ist mein Kind drei Jahre alt und ich um viele Erfahrungen reicher. Diese Erfahrungen und die der vielen Frauen, mit denen ich mich über dieses Thema ausgetauscht habe, habe ich hier zusammengetragen.
Die "HowTosrichten sich an schwangere Subs und deren Partner, da sie im umgekehrten Fall ja nicht notwendig sind. Meist habe ich für den Partner die männliche Form gewählt. Natürlich gibt es noch zahlreiche andere Spielpartnerkonstellationen - auf diese aber jeweils gesondert einzugehen würde den Rahmen hier sprengen und läge auch nicht wirklich in meinem Erfahrungsbereich.
Vieles ändert sich ...
Im Laufe einer Schwangerschaft verändern sich Körper und Gefühlsleben beträchtlich. Da gibt es die vormals sexuell sehr aktive Schwangere, die jetzt lieber gelegentlichen Kuschelsex mag und eigentlich am liebsten in Ruhe gelassen werden will. Eine andere, die vor der Schwangerschaft sexuell sehr zurückhaltend war, mutiert zum unersättlichen Vamp, sehr zur Freude (oder auch zum Schrecken ...) ihres Partners.
Vor allem, wenn das erste Kind erwartet wird, durchlebt frau zeitweise ein emotionales Chaos - große Freude und ebenso große Ängste. Die Gewissheit, Mutter zu werden, erfüllt mit Stolz, aber auch mit dem Gefühl unausweichlicher Endgültigkeit: "Mein Leben wird nie mehr so sein, wie es war." Die Hormonumstellung und die körperlichen und emotionalen Entwicklungen, die eine Schwangere durchlebt, verändern auch ihr Verhalten. Selbst eine Frau, die sonst die Ruhe in Person ist, kann sehr launisch, weinerlich und reizbar werden, was auch für ihr Umfeld nicht immer leicht zu verkraften ist.
Hinzu kommt, dass eine Schwangere leicht das Gefühl bekommt, die Kontrolle über ihren Körper verloren zu haben: Auf einmal sind da jede Menge Verbote, kein Alkohol, keine Zigaretten, dies nicht essen, jenes aber unbedingt ... etc. Das Kind nimmt immer mehr Raum ein, sowohl physisch als auch psychisch - es ist immer dabei, egal was frau gerade macht.
Und auch der Partner wird nicht einfach so weitermachen wie bisher: Neben all den o.g. Veränderungen, die natürlich auch ein Mann durchlebt, lastet die Verantwortung, bald eine Familie ernähren zu müssen (die ja auch heute noch in den allermeisten Fällen bei den Männern liegt), manchmal recht schwer auf seinen Schultern. Das mag kleinbürgerlich erscheinen, belastet eine Beziehung aber doch in nicht unerheblicher Weise. Gerade vor der Geburt des ersten Kindes haben i.d.R. doch beide Partner ihr eigenes Einkommen, über das eigenverantwortlich verfügt wird. Lebt man nun das klassische (und meist gängige) Familienmodell, entsteht zwangsläufig ein finanzielles Abhängigkeitsverhältnis. Darin liegt ein großes Konfliktpotential, das bisherige Rollenverständnis muss neu definiert werden.
Eines aber ist sicher: Vieles wird sich ändern - doch darin liegt auch die Chance, die Beziehung auf eine höhere Ebene zu führen.
Und was hat das alles mit SM zu tun?
Sehr viel mehr, als frau/mann sich am Beginn einer Schwangerschaft vielleicht vorstellen mag. Denn diese Veränderung schlägt sich auch und gerade in der Sexualität nieder. Gerade dort, wo es um Emotionen, Rollenverständnis und Sich-fallen-lassen geht. Diese Vielzahl an Veränderungen will irgendwie bewältigt werden, Reden hilft auch hier weiter. Möglicherweise fällt es Sadomasochisten ein wenig leichter, damit klar zu kommen, da sie sich meist auch schon in der Vergangenheit intensiver mit ihrer Sexualität beschäftigt haben.
Dürfen wir denn jetzt überhaupt noch spielen?
Grundsätzlich ja, allerdings werden sich wahrscheinlich die Vorlieben ändern. Die Natur hat uns mit zahlreichen Schutzinstinkten ausgerüstet, und selten werden diese so spürbar wie in der Zeit rund um die Geburt - auf einige wird noch hingewiesen. Dieses Bauchgefühl ist ein guter Wegweiser: Wer darauf hört, macht nichts falsch.
Männer haben oft Angst vor dem Geschlechtsverkehr in der Annahme, mit dem Penis direkt in Kontakt mit dem Kind zu kommen. Oder aber Angst, bei der Penetration mit der Hand oder irgendwelchen Hilfsmitteln das Kind oder die Fruchtblase zu verletzen. Keine Angst, das ist nicht möglich!
Die Gebärmutter endet im ßchlauchförmigen" Muttermund. Dieser ist ca. 4 cm lang, ragt in die Scheide hinein und ist zusätzlich mit einem Schleimpfropf verschlossen. (Tipp: Es kann für den Partner hilfreich sein, gezielt mit zwei Fingern den Muttermund zu suchen und zu ertasten, um diese Sorge zu verlieren.) Erst hinter dem Muttermund befindet sich die Fruchtblase und das Fruchtwasser. Eine der wichtigsten Aufgaben des Fruchtwassers ist es, das Kind vor Verletzungen und anderen äußeren Einflüssen zu schützen. Denn sonst würde schon ein ausgiebiger Lachanfall der Mutter ausreichen, um das Kind ordentlich durchzuschütteln. Die Fruchtblase ist aus einem erstaunlich zähen Gewebe und würde auch durch direkten Kontakt mit dem Penis oder einer Hand nicht zerreißen. Aber trotzdem kann es sein, dass die Schwangere ein tiefes und heftiges Eindringen beim Sex nicht mag, weil sie ein unbewusstes Schutzbedürfnis spürt. Darauf muss Mann dann entsprechend Rücksicht nehmen.
Ähnliches gilt für das Schlagen bzw. Geschlagenwerden und den damit einhergehenden Gefühlen von Schmerz und Schreck. Niemand weiß wirklich, wie sich solche Erlebnisse auf das Kind auswirken. Fast jede Schwangere hat schon einmal erlebt, dass ihr Kind auf eine Schrecksituation mit Purzelbäumen reagiert hat, also offensichtlich auch aufgeregt war. Das Stress- und Fluchthormon Adrenalin ist plazentagängig, das bedeutet: Hat die Mutter aufgrund eines großen Schreckens einen Adrenalinausstoß, wird dieser auch über das Blut durch den Mutterkuchen auf das Kind übertragen. Manche Kinder reagieren direkt darauf, andere gar nicht. Wenn das Kind aber sehr aufgeregt ist, wird das sicher dazu führen, dass sich die Mutter auf das Kind konzentriert und versucht, sich und es zu beruhigen. Dazu bedarf es allerdings nicht unbedingt einer SM-Session - ein spannender Film im Kino oder laute Musik können da schon ausreichen.
Nun kann man darüber nachdenken, ob so etwas für das Baby zumutbar ist: Ist es nicht grausam, das Kind bewusst so einer Situation auszusetzen? Dem könnte man entgegensetzen, dass dem ja auf der anderen Seite ein großes Wohlbefinden der Mutter gegenübersteht. Eine sexuell befriedigte Mutter ist entspannt und ausgeglichen. Zudem gehen die Hormone, die diesen Zustand begleiten, auch auf das Kind über. Eine endgültige Antwort lässt sich da nicht finden, aber es ist sicher nicht falsch, seine Bedürfnisse auszuleben, wenn sich alle Beteiligten dabei wohl fühlen. Eine Schwangere spürt, wenn ihr Kind Ruhe braucht, und wird entsprechend darauf reagieren.
Aber auch dem werdenden Vater kann die Situation nicht geheuer sein. Nicht selten ist er derjenige, der wilden Sex ablehnt. Es kann sein, dass sich seine Sicht auf die Partnerin erheblich verändert. Da sie ein Kind - SEIN Kind - in sich trägt, sieht er plötzlich nicht mehr nur die Gefährtin, Geliebte - die Frau, die er begehrt -, sondern die werdende Mutter. Die Vorgänge im Mutterleib bleiben für den Mann letztendlich immer etwas sehr Geheimnisvolles, Unbekanntes. Die Frau hat Macht über das Leben, das weckt tiefe Urängste. Mit diesen Gefühlen wird er nur fertig, indem er sie als solche akzeptiert und soviel wie möglich an der Schwangerschaft und später am Leben mit dem Kind teilnimmt.
Diese Dinge nehmen, ob wir das wollen oder nicht, Einfluss auf unser Leben, unser Miteinander und eben auch auf unsere Sexualität. Eine vorher seit langem funktionierende Rollenverteilung beim BDSM wird wahrscheinlich hinterfragt, vielleicht sogar völlig aufgelöst. Das wird auch noch eine Weile so bleiben, wenn das Baby da ist, aber selbst wenn vieles anders wird: So manches wird auf wunderbare Weise neu und aufregend!!
Buchtipp: ''Liebe und Sex junger Eltern'' [68]